Richtiges Gendern: Wie geht das?

Die Varianten der gendergerechten Schreibweisen, denen man im Alltag so begegnet, sind mittlerweile so vielfältig wie unsere Gesellschaft selbst. Einen Artikel zu den neuen Empfehlungen des Dudens finden Sie hierhier; dieser Artikel bezieht sich auf eine ältere Ausgabe des Dudens.

Diesehier.

Gendersternchen, Binnenmajuskel, Unterstrich oder Doppelnennung – da tut sich manchem die Frage auf: „Wie gendert man eigentlich richtig?“

Gute Frage. Schwere Frage. Vor allem die Definition von „richtig“ ist hier entscheidend. Richtig im Sinne der deutschen Grammatik und der amtlichen Rechtschreibregeln? Das ist schnell gesagt. Gesellschaftlich richtig hingegen – das bleibt zu diskutieren.

Welche Formulierungen sind geschlechtergerecht?

Auf der Suche nach geschlechtergerechtem Sprachgebrauch greifen die meisten vermutlich als Erstes zum Duden. Laut dem Dudenband 9 ist die Doppelnennung die „höflichste und eindeutigste Variante der sprachlichen Gleichstellung“, also z. B. „Liebe Kolleginnen und Kollegen“.

Doch spätestens seit der Aufnahme des dritten Geschlechts ins Geburtenregister reicht auch diese Variante eigentlich nicht mehr aus. Auch aus diesem Grund ist die Suche nach einer korrekten Ansprache aller Identitäten noch im Gange und es werden allerlei kreative Wortformen gebildet. Manch sprachkonservativer Mensch erhebt dann den Zeigefinger und sagt: „Das steht so aber nicht im Duden!“ – stimmt.

Wenn man sich an die geltenden Rechtschreibregeln halten möchte, sollte man nach aktuellem Stand am besten zur Doppelnennung greifen oder eine passende Sparschreibung verwenden. Mit Betonung auf „passend“ – während „Liebe Mitarbeiter/-innen“ gut funktioniert, wird es bei „mit unseren Mitarbeiter/-innen“ schon schwierig. Denn aufgeschlüsselt stünde dort nun „mit unseren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“.


Dieses Problem ergibt sich auch bei den kreativen Schreibweisen, insbesondere bei Formen wie „Kund*innen“, „KundInnen“ oder „Kund_innen“. Das Wort „Kund“, das diesen Schreibweisen als Basis zugrunde liegt, gibt es nicht. Neben dem Schrägstrich ist auch die Sparschreibung mit Klammern möglich: „Liebe Kolleg(inn)en“. Dies kommt allerdings nur selten vor.

Allerdings lehnt der Duden die kreativen Varianten nicht alle kategorisch ab, sondern sagt z. B. hinsichtlich des Binnen-Is: „[Die Form] ist in bestimmten Kontexten sehr gebräuchlich, allerdings sehen die offiziellen Rechtschreibregeln Binnenmajuskeln nicht vor ‒ sie lehnen sie allerdings auch nicht explizit ab, denn die Binnengroßschreibung ist nicht Gegenstand des amtlichen Regelwerks. Ähnlich verhält es sich mit der ‚Sternchenlösung‘ […].“ Die Schreibung ist also vor allem neu; sie wird von den etablierten Rechtschreibregeln schlicht nicht abgedeckt.

Es gibt in der Sprache aber auch Möglichkeiten, die das Gendern gar nicht nötig machen, sogenannte Ersatzformen. Dazu zählen zum Beispiel die Substantivierung („Studierende“ statt „Studenten“), die Sachbezeichnung („Leitung“ statt „Leiter/-in“), generische Nomen ohne Movierung („Person“ oder „Mensch“), Kurzwörter („Prof“ statt „Professor/-in“) oder Umformulierungen mithilfe von Adjektiven, Passivierungen oder Relativsätzen („ärztlicher Rat“ statt „Rat des Arztes“).

Gerade in Stellenanzeigen wird auch oft auf den erklärenden Klammerzusatz zurückgegriffen: „Pflegefachkraft (m/w/d)“. Ersatzformen funktionieren nicht in allen Fällen, können einem aber manchmal durchaus aus der Klemme helfen.

Einfach ein Gendersternchen einbauen? So einfach ist es nicht!

In der kürzlich erschienenen Dudenauflage 28 findet sich nun ein eigenes Kapitel zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch, in dem die Dudenredaktion darauf hinweist, dass in der Sprachpraxis neben den amtlich korrekten Varianten vor allem die Form mit Genderstern sowie nicht korrekte Sparschreibungen zu beobachten sind. Es wird aber auch betont, dass diese nicht von den amtlichen Regeln abgedeckt werden.


Allerdings räumt der Duden auch hier einen gewissen Spielraum ein: „Eine offizielle Empfehlung kann die Dudenredaktion […] nicht abgeben; wer sich jedoch nicht im amtlichen Kontext bewegt, kann mit diesen kreativen Lösungen durchaus etwas anfangen.“

Im Gegensatz dazu veröffentlichte die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) kürzlich eine Pressemitteilung, aus der die Ansicht hervorging, dass Schreibweisen wie die mit dem Genderstern aus sprachlicher Sicht kein geeignetes Mittel dafür seien, richtig zu gendern. Andere Stimmen, z. B. der Verein deutscher Sprache, ergänzen, dass man mit kreativen Schreibweisen sogar manche Leser verprellen kann.

Doch der Duden weist in der neuen Auflage darauf hin, dass Sprache ein essenzieller Faktor für die Gleichstellung der Geschlechter ist, welche so auch im Grundgesetz verankert ist. Er räumt auch ein, dass das generische Maskulinum, das bisher vorwiegend verwendet wurde, nicht eindeutig auch andere Geschlechtsidentitäten einschließt. Auch die GfdS befürwortet grundsätzlich eine diskriminierungsfreie Sprache. Es steht also außer Frage, dass gendergerechte Sprache verwendet werden soll, nur wie man richtig gendert, das bleibt nicht gänzlich geklärt.

Es bleibt also (vorerst) bei dem Spagat: Letztendlich ist es eine individuelle Entscheidung, ob man die Grenzen der aktuellen Rechtschreibung zugunsten größtmöglicher Inklusion überschreitet oder ob man grammatisch korrekte Sprache verwenden möchte.

Was ist Ihnen wichtig? Was passt zu Ihrem konkreten Projekt? Haben Sie keine Zeichenbegrenzungen und arbeiten an einem Fließtext, so bieten sich Doppelnennungen oder passende Sparschreibungen an. Wenn Sie aber in der Zeichenzahl begrenzt sind und gerade Claims oder Headlines erschaffen, erscheint kreatives Gendern außerhalb der amtlichen Rechtschreibregeln verlockend. Seien Sie sich bewusst, dass es in jedem Fall Personen geben wird, die mit Ihrer Wahl nicht einverstanden sind. Eine Analyse Ihrer Zielgruppe kann da sicherlich helfen.

In unserem Deutschen Lektorat halten wir uns an die amtlichen Vorgaben – wir empfehlen in unseren Korrektoraten Doppelnennungen und passende Sparschreibungen und weisen bei kreativen Schreibweisen darauf hin, dass diese (noch) nicht offiziell anerkannt sind, oder erklären, weshalb sie in einem konkreten Fall nicht funktionieren. Selbstverständlich sind wir uns aber auch der gesellschaftlichen Bedürfnisse bewusst und daher gern bereit, bei der Umsetzung gendergerechter Sprache zu beraten.

Hannah Groth

Deutschlektorin, bei Wieners+Wieners seit 2017, brennt für Linguistik, Linguine und Limericks.
Hannah Groth